Linderhof mit dem ehemaligen Ettaler Bauernhof, der St.-Anna-Kapelle
und dem Königshäuschen
mit dem ersten Anbau,
Bleistiftskizze, 1871
Foto: Stefan Nadler
Neben der mystischen Welt des Orients und der ritterlich-romantischen Epoche des Mittelalters war es der glanzvolle Hofstaat der Bourbonen-Dynastie, der Ludwig II. in seinen Bann gezogen hatte. In Linderhof wünschte sich der König den Nachbau der Schloss- und Gartenanlage von Versailles, der prachtvollen einstigen Residenz des Sonnenkönigs Ludwig XIV.
Linderhof, ein zum Militärfohlenhof Schwaiganger gehöriges landwirtschaftliches Anwesen nahe Ettal, war Ludwig II. durch die gemeinsamen Aufenthalte mit seinem Vater König Maximilian II. im königlichen Jagdhaus bekannt, das neben dem Linderhof-Anwesen gelegen war.
König Ludwigs Gartenarchitekt, Hofgärtendirektor Carl von Effner (1831-1884), entstammte einer alten Hofgärtnerfamilie, die nachweislich seit 1625 in Diensten des Wittelsbacher Hofes stand. Gefördert noch durch Ludwigs Vater König Maximilian II. von Bayern, kam Effner in den Genuss einer umfassenden Ausbildung, die er an renommierten Stätten der Gartenkunst wie Wien, Potsdam, Gent und Paris absolvierte.
Carl von Effner gelang es, mit seinem Talent für farbenprächtige, dekorative und effektvolle Gartenszenerien die Ansprüche Ludwigs II. vollauf zu befriedigen. Für die Verdienste um die Gartenanlage in Linderhof belohnte der König seinen Gartenarchitekten 1877 mit der Verleihung des persönlichen Adels.
Doch selbst die von Carl von Effner 1868 in einem ersten Plan entworfene stark verkleinerte Version der Versailler Gartenanlage konnte aufgrund ihrer Größenausdehnung (ihre Länge betrug immerhin noch etwa 1,2 Kilometer) in diesem engen Tal nicht ausgeführt werden.
Entwurf zu den Garten- und Parkanlagen Linderhof, Plan von Carl von Effner, um 1874
Foto: Bayerische Schlösserverwaltung
Noch in der Planungsphase ließ Ludwig II. das auch als "Königshäuschen" bezeichnete Jagdhaus seines Vaters zum angenehmeren Aufenthalt während der Bauabwicklung renovieren und erweitern. Vor dem zunächst noch in Holz ausgeführten Arbeits- und Speisezimmer entstanden ab 1872 auch die ersten beiden Gartenpartien, das heutige Ostparterre und Westparterre.
Erst als Ludwig II.1873 die Insel Herrenwörth im Chiemsee erworben und das Versailles-Projekt dorthin verlagert hatte, entwickelte sich aus diesem Provisorium die Schloss- und Gartenanlage, wie wir sie heute kennen.
Der hölzerne Anbau blieb an seinem Platz, wurde mit Stein ummantelt und zum heutigen Schloss ausgebaut. Das nun störende "Königshäuschen" ließ der König etwa 300 m nach Westen versetzen.
Damit war auch Platz für eine Erweiterung der Gartenanlage geschaffen. Vor dem Spiegelsaal im Südtrakt des Schlosses kam ein großes Wasserbecken mit einer etwa 25 Meter hohen Fontäne zu liegen. Nach Süden schließen drei Terrassengärten die Gartenanlage ab, bekrönt von einem Rundtempel und romantisch verklärt durch eine bereits vorhandene, etwa 300 Jahre alte Linde, die der König vor der Fällung verschonte.
Kaskade mit Neptunbrunnen und Musikpavillon
Foto: Bayerische Schlösserverwaltung
Vor dem Schlafzimmer im Nordtrakt des neuen Gebäudes nutzte man das ansteigende Gelände zum Bau einer Kaskade. Über 30 Marmorstufen fließt das Wasser in feinen Schleiern den Hang herab. Zusammen mit dem Neptunbrunnen als unterer und dem sogenannten Musikpavillon als oberer Abschluss schirmt die Kaskade das Schloss nach Norden hin zur Landschaft ab.
Von den festlichen Gartenräumen leitet ein landschaftlicher Park zum angrenzenden Tannen-Buchen-Bergwald der Ammergauer Berge über. Sanft geschwungene Wege führen abwechselnd durch prächtige Buchen-, Eichen- und Lindengruppen und freie Wiesen und bieten so dem Parkbesucher eine Fülle wechselnder Landschaftsbilder. Am nördlichen Rand des Parks ließ sich Ludwig II. 1876 zwei seiner zahlreichen kleineren "Fluchtburgen" erbauen: Die mit modernster Technik (zum Einsatz kamen die ersten Dynamos der Firma Siemens-Schuckert) farbenprächtig ausgeleuchtete künstliche Grotte sowie der Maurische Kiosk.
Marokkanisches Haus im Schlosspark Linderhof
Foto: Bayerische Schlösserverwaltung / Tanja Mayr
In neuerer Zeit konnten die Hundinghütte, das Marokkanische Haus und die Einsiedelei des Gurnemanz wieder aufgebaut werden. Diese Kleinarchitekturen hatte sich Ludwig II. 1876 bzw. 1878 ursprünglich wenige Kilometer westlich von Linderhof inmitten des Ammergauer Bergwaldes erbauen lassen.
König Ludwig II. forderte von seinen Architekten natürlich eine schnellstmögliche Fertigstellung der Anlagen. Zum rascheren Transport von Baumaterial installierten die Techniker eigens eine Rollbahn, und zeitweise drängten sich bis zu 180 Arbeiter auf der Baustelle in Linderhof. Selbst die Parkbäume wurden mit einer kräftigen Düngung von jährlich bis zu 100 Fuhren Rindermist zu schnellerem Wachstum angeregt. Im Jahre 1880 konnte die Garten- und Parkanlage Linderhof schließlich fertiggestellt werden.
Mit den barockisierenden Parterres, der renaissancehaften Terrassenanlage, dem landschaftlichen Park, dessen Ursprünge in England zu suchen sind, mit Anleihen aus historischen Gärten wie Marly le Roi in Frankreich oder La Granja in Spanien zählt die Garten- und Parkanlage in Linderhof zu den Musterbeispielen der Gartenkunst des Historismus.
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